Kurzer Kommentar zu den Bundestagswahlen

Louisa Hobler

19. März 2025

Am Sonntag, den 23.02.2025, war es so weit, der neue Bundestag wurde nach Zerbrechen der „Ampel-Regierung“ vorzeitig gewählt.

Für viele Menschen die Hoffnung auf mehr politische Stabilität, auf ein Ende der Streitigkeiten innerhalb der Regierung, auf einen neuen Kurs. Für andere die Sorge vor dem, was die Wahlen bringen werden, vor rechten Kräften, vor Rückschritt in Klimapolitik und der Bekämpfung von Diskriminierung vieler Minderheiten, vor „wieder vier Jahre Stillstand“. Kaum ein Thema hat dabei vermutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen, wie die Migrationspolitik, denn kaum ein Thema lässt sich seit je her so gut populistisch ausschlachten, wie die Angst vor denen, die anders sind, wie Fremdenhass. Mehrere Attentate in Deutschland vor den Wahlen machen es den Populisten da um einiges leichter, die Massen mit emotional geladenen Reden, Angst und Misstrauen und Vorurteilen von ihrer teils menschenverachtenden Politik zu überzeugen, diese sogar als alternativlos zu präsentieren. Rechtsextreme reiben sich die Hände, doch auch die „konservative Mitte“ spricht kaum mehr ein anderes Thema an.

Hunderttausende gingen aufgrund der teils menschenverachtenden Pläne, über die die CDU gemeinsam mit der AfD, Teilen der FDP und des BSW am 29.01.2025 abstimmte,  in ganz Deutschland auf die Straßen. Trotzdem, fast 30 % der Wähler wählten die CDU und noch erschreckender, über 20 % der Wähler entschieden sich für die AfD.

Zeiten, in denen Populist*innen den Ton bestimmen und fernab der Faktenlage ungehalten die Bildung einer stabilen demokratischen Regierung schon vor der Wahl manipulieren, indem unhaltbare Versprechen geben und von Kompromissbereitschaft geredet wird und Demonstranten gegen rechts als „Links-grüne Spinner“ bezeichnet werden, sind alarmierend.  Ebenso hat die Anfrage der CDU gegen viele NGOs gegen Rechts mehr als nur einen beunruhigenden Beigeschmack, denn wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, sollte wissen, dass der Aufstieg der NSDAP maßgeblich durch die konservativen Kräfte geebnet wurde. Nicht zuletzt dieser Angriff gegen die starke demokratische Zivilgesellschaft lässt den Ausdruck „5 vor 1933“ nicht allzu weit hergeholt erscheinen.

Doch trotz all dieser beängstigenden Entwicklungen, die keinesfalls unterschätzt werden dürfen in ihrer Gefahr für unsere Demokratie, gibt es auch gravierende Unterschiede zu 1933:

„Bonn ist nicht Weimar“: Dieser Buchtitel des Journalisten Fritz René Allemann von 1956 beschreibt die wesentlichen Veränderungen des Grundgesetzes von 1949 im Vergleich zur Weimarer Verfassung von 1919.  Diese Veränderungen sowie die Gründung des Verfassungsschutzes 1950 sollen unsere Demokratie „wehrhaft“ machen und die Machtübernahme undemokratischer Kräfte verhindern.

Auch wenn die Demokratie weltweit momentan zu wanken scheint, die meisten Menschen (50–75 %) sind laut Statista in den letzten Jahren zufrieden damit, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert (de.statista.com). Das war wohl zu Zeiten der Weimarer Verfassung nicht der Fall, viele Krisen belasteten die junge Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg. Die Hyperinflation und die Nachwirkungen des Versailler Vertrages schwächten das Vertrauen in die neue Demokratie. Zudem mangelte es immer noch an flächendeckender Bildung für alle, so auch an politischer Bildung, die eine wichtige Grundlage für mündige Bürger*innen und durchdachte demokratische Entscheidungen darstellt. Die Menschen konnten nun zwar wählen und sich aktiv beteiligen, dies wurde auch genutzt, mit Wahlbeteiligungswerten zwischen 75,6 % und 88,8 % (1919–1933) laut Statista, das tatsächliche Verständnis für die Verfassung und das politische System dürfte vielen jedoch gefehlt haben (de.statista.com).

Ein weiterer Punkt dürften die generelle gesellschaftliche Einstellungen der Zwanziger sein, eine tief gespaltene Zeit zwischen Fortschritt und Moderne auf der einen Seite und Konservativismus auf der anderen, viele Menschen sehnten sich nach Aufbruch, viele andere allerdings auch zurück in die Kaiserzeiten. Es gab zwar auch starke linke und kommunistische Parteien und Gruppierungen, doch insgesamt war die Gesellschaft konservativer als heute und viele Dinge, die für uns selbstverständlich sind, waren damals noch tabu. Das führte auch dazu, dass Demonstrationen und Protest kaum aus der Mitte der Zivilgesellschaft kamen, sondern vor allem von weit links oder weit rechts, hin- und hergerissen zwischen extremer werdenden Enden des Spektrums, zwischen Revolution und Restauration.

Der ehemalige Reichskanzler Franz von Papen gilt als die Steigbügelhalterfigur im Aufstieg der NSDAP, durch seine katastrophale Fehleinschätzung Hitlers und der ganzen Partei. Er ist ein Beispiel dafür, dass die Lage damals unterschätzt wurde, was zur Folge hatte, dass die Nationalsozialisten an die Macht kamen.

Insgesamt führte eine Verkettung sehr verschiedener Voraussetzungen zu einer der dunkelsten Zeiten der Menschheitsgeschichte, deren Ursachen in ihrer Vielschichtigkeit unter anderem Historiker*innen und Gesellschaftsforscher*innen seit langer Zeit beschäftigen. Vermutlich war der deutsche Schauspieler Helge Mark nicht der Einzige, der sich zu Schulzeiten fragte „warum wir immer über den Nationalsozialismus gesprochen haben“ und es „nie für möglich [hielt], dass so was in [seinem] Leben wieder passiert.“, doch er ist mit Sicherheit nicht der Einzige, der sich heute fürchtet, dass es eben doch noch einmal passieren könnte.

Für mich sind die letzten Wochen nicht nur von Furcht vor der Zukunft geprägt, sondern auch von der Hoffnung, dass Hunderttausende und Millionen von Menschen sich für unsere Demokratie starkmachen. Denn es gibt Unterschiede zu damals, doch wir müssen sie auch wahrnehmen und aktiv  gestalten, uns über unsere Politik und über das Grundgesetz und dessen Bedeutung bilden, wählen gehen, Parteien beitreten, NGOs unterstützen. Wir müssen zu schätzen wissen, was wir haben und Demokratie nicht für selbstverständlich halten, Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus dürfen nicht salonfähig werden. Wir dürfen die Gefahr nicht unterschätzen, aber auch nicht vergessen, dass wir uns wehren können und noch immer in der Mehrheit sind. Wir müssen wachsam bleiben.

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