Unser Zeitzeugengespräch mit Horst Bernard

Maha Alsuweedani

17. Juni 2025

Am 13. Mai fand am GSG ein vom Adolf Bender Zentrum organisiertes Zeitzeugengespräch mit Horst Bernard statt.
Dr. Planta betonte, dass ein solches Zeitzeugengespräch „weit über [die Informationen in den] Lehrbüchern hinausgeht“ und es „besonders zur heutigen Zeit wichtig“ sei.
Frau Backes, die den Kontakt zum Adolf Bender Zentrum hergestellt hatte, betonte die Wichtigkeit des „Bewusstwerden[s] des Engagements“, das in seinen Büchern und Interviews und seiner jahrzehntelangen Arbeit für die Neue Bremm, dem „Vorhof zur Hölle“, zu sehen ist. Wir erfuhren zudem, dass Horst Bernard Ende April von der Ministerpräsidentin Anke Rehlinger mit dem Verdienstorden des Saarlandes ausgezeichnet wurde.
Dass sein Wissen tatsächlich eine „Riesenschatzkammer“ ist, haben wir in den nächsten anderthalb Stunden erfahren dürfen.
Mit der Volksabstimmung am 13. Januar 1935 startet Horst Bernard seine Erzählung. Das Ergebnis mit über 90% der Stimmen für das nationalsozialistische Deutschland war für seine Familie alles andere als vorteilhaft, weil sein Vater Kommunist war und aus einer jüdischen Familie stammte. Leider hatten allerdings die Kampagnen gegen den Nazi-Anschluss keine Wirkung.
Herr Bernard war zweieinhalb Jahre alt, als sein Vater nach Frankreich flüchtete und seiner Familie gedroht wurde, sollte er nicht zurückkommen, also entschied sich seine Mutter trotz zweier Kinder für den Marsch nach Saargemünd; von dort aus kamen sie ins Zentrum Frankreichs und fanden Unterschlupf in einer Kirche, neben zahlreichen anderen Menschen.
Die Tage in dieser Kirche, die bis Ende März des gleichen Jahres andauerten, waren für seine Familie sehr schlimm.
Ihre Reise ging schließlich weiter, bis sie nach Luchon kamen. Hier erhielten sie viel Hilfe von einem Polizisten, dessen Tochter Paulette Horst Bernard zu einer gleichaltrigen Spielgefährtin wurde.
Am 3. September 1939 wurden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alle deutschen Bürger in Frankreich verhaftet, außer sie hatten, z. B. durch Heirat, französische Bürger in der Familie. Herr Bernards Vater kam in ein Internierungslager mit zwei eingeschossigen Gebäuden, die früher als Stallungen eines Jagdschlösschens gedient hatten.
Im April 1940 hatte der Junge die Möglichkeit, seinen Vater im Lager zu besuchen; kurze Zeit später, am 3. Mai des gleichen Jahres, wurde das dritte Kind der Familie Bernard geboren und die Familie hatte damit automatisch die französische Staatsbürgerschaft; so konnte der Vater entlassen werden.
Das Glück hielt jedoch nicht lange, da es nach der deutschen Übernahme Frankreichs am 20. Juni 1940 zu einer Besetzung vieler Teile Frankreichs kam.
Dass der Familie zur Flucht nach Südfrankreich, nach Agen, verholfen wurde, half schließlich nichts, da am 11. November 1942 auch Südfrankreich besetzt wurde, der Vater also unter Illegalität leben musste und daher selten daheim war, seine Familie somit kaum sehen konnte.
In dieser komplizierten Zeit bestand weiterhin eine Solidarität der Familie Bernard mit französischen Antifaschisten, 1943 wechselte Horst ans Gymnasium und sein Name musste zu Henry geändert werden, damit er nicht als Deutscher erkannt wurde.
Anfang 1944 wurden die Besuche des Vaters noch seltener. Am 28. Januar wurde einer ihrer Verbindungsmänner im Libération-Nord, ein Lehrer Bernards, von der Gestapo, der „Geheimen Staatspolizei“, verhaftet und gefoltert; in der Nacht vom 28. auf den 29. wurde er auf einen Hof gebracht, wo man, bis er starb, seine Schmerzensschreie ununterbrochen hörte.
Weil der Lehrer niemanden verraten hatte, wollte die Geheime Staatspolizei bei seiner Beerdigung weitere Mitglieder dieser Organisation dingfest machen; die Familie schickte aus diesem Grunde Horst, als ältestes Kind, dorthin. Auf der Beerdigung wurden Zivilisten von Uniformierten verfolgt. Der junge Horst Bernard, der als einziger seiner Familie an der Beerdigung teilnahm, flüchtete in seiner Panik. In der Zeit war, obwohl sie eine so starke Frau war, auch die Mutter panisch: Ihr Kind war verschollen und die Gestapo suchte nach ihrem Mann. Sie schaffte es aber, ihren Mann zu decken, und ihr Sohn wurde wieder heil heimgebracht.
Vom April an hieß es, dass sie nicht mehr bei sich Zuhause bleiben konnten: Der noch nicht einmal zwölfjährige Horst – oder Henry – wurde, damit er die Schule weiterhin besuchen konnte, bei einem älteren Ehepaar untergebracht, während sich seine Mutter und Geschwister in einer Scheune versteckten, in der ihnen nur Brunnenwasser und kein Feuer zur Verfügung stand.
Jeden Samstag um 11 Uhr gab es einen minimalen Kontakt zwischen dem jungen Horst und seinem Vater in Form flüchtiger, lächelnder Blicke über entgegengesetzte Bürgersteige; so hatte Horst auch immer die Gewissheit, dass sein Vater wohlauf und nicht verhaftet worden war.
Dies ging so, bis im Juni 1944 Frankreich befreit wurde und sich der Familienkreis wieder treffen konnte. Die Familie half bis nach dem Ende des Krieges bei der Betreuung deutscher Kriegsgefangener.
Im Oktober 1945 ging der Vater wieder nach Saarbrücken; die Mutter und Kinder folgten ihm im Juni 1946 nach Beendigung des Schuljahres.
Die Trümmerberge in Saarbrücken waren ein neuer, schockierender Anblick für Horst, dem in Frankreich – natürlich zu seinem eigenen Glück – die Kriegsschäden weitestgehend verborgen geblieben waren.
Generell war – nicht zuletzt, weil er kein Deutsch sprach – Deutschland zunächst für ihn ein fremdes Land.
Horst Bernhard ließ uns mit folgendem Rat und Auftrag gehen:
Verliert euren Mut nicht. Und seid wachsam!

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