„Früher war alles besser“, sagen viele. „Da sind die Leute noch auf die Straße gegangen. Da gab es noch echten Protest. Und heute? Heute hängen die Jugendlichen nur noch am Handy.“
Solche Sätze hört man oft, wenn über unsere Generation gesprochen wird. Eigentlich sollen sie uns zum Nachdenken bringen, aber sie treffen uns wie Vorwürfe. Als wären wir gleichgültig. Desinteressiert. Unpolitisch.
Aber das stimmt nicht.
Wir sind nicht unpolitisch – wir sind müde.
Und das ist nicht nur ein Gefühl, sondern ein Problem, welches ernst genommen werden muss. Wir wachsen in einer Welt auf, in der alles gleichzeitig passiert. Alles ist wichtig. Alles ist schlimm. Alles schreit um Aufmerksamkeit. Und das meistens direkt auf unserem Handy. Wenn ich TikTok öffne, sehe ich manchmal in wenigen Minuten mehr Leid, mehr Hass und mehr Katastrophen, als eine Generation früher in einer Woche in der Zeitung lesen konnte. Kriege, Klimakrise, Hass, Fake News. Unsere Bildschirme sind voll davon. Zuerst vielleicht ein Tanz, aber dann gleich danach ein Video aus Gaza, dann eins von einem Überfall auf queere Menschen, dann wieder ein Meme und zwischendurch Werbung für Mascara. Wie soll man da noch unterscheiden, was echt ist, was wichtig ist und was mich überhaupt etwas angeht? Alles vermischt sich. Alles fühlt sich gleich an. Nichts bleibt lange hängen.
Und trotzdem bleibt dieses dumpfe Gefühl: Es ist zu viel.
Wir wissen oft nicht mehr, wie wir reagieren sollen. Was wir glauben können. Womit wir uns zuerst beschäftigen sollen. Und viele von uns ziehen sich zurück. Nicht, weil es ihnen egal ist, sondern weil sie überfordert sind. Und das ist gefährlich. Denn wenn Überforderung zu Rückzug wird, überlassen wir das Feld denen, die keine Angst haben, laut zu sein. Und oft sind das genau die, vor denen wir eigentlich warnen müssten.
Manche Jugendliche haben vielleicht wirklich resigniert und sagen: „Ich kann ja eh nichts ändern.“ Aber genau das ist das Problem. Dieses Gefühl der Ohnmacht lähmt uns. Dabei ist es kein Zeichen von Schwäche, sensibel zu sein. Oder erschöpft. Oder verwirrt. Aber es wird gefährlich, wenn aus Müdigkeit Gleichgültigkeit wird. Denn dann passiert das, was wir eigentlich nie wollten: Dass uns alles egal wird und niemand mehr handelt, außer die Falschen. Und das darf nicht passieren.
Vielleicht müssen wir nicht alles wissen.
Nicht überall mitreden.
Nicht perfekt sein.
Aber wir dürfen nicht aufhören, hinzusehen.
Nicht aufhören, Fragen zu stellen.
Nicht aufhören zu fühlen, nur weil es manchmal wehtut.
Und vor allem: Wir dürfen nicht aufhören zu glauben, dass unsere Stimme zählt. Denn Veränderung beginnt nicht erst, wenn man einen Preis gewinnt oder hunderttausend Menschen zuhören. Sie beginnt im Kleinen. In uns. Jeden Tag.
Also ja, wir sind müde.
Aber gerade deshalb ist es wichtig, nicht leise zu werden.
Gerade deshalb ist es wichtig, nicht aufzugeben.
Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir sagen:
„Ich bin da. Ich sehe das. Und ich will, dass es anders wird.“
Das reicht vielleicht nicht, um die Welt zu retten.
Aber es reicht, um wachzubleiben.
Wir sind nicht unpolitisch – wir sind müde
Emma Pankonin