Unvergessen #2

Gastautor*in

3. April 2021

Dies ist der zweite Beitrag einer Reihe von Geschichten, Schicksale, erzählt von Menschen, die noch von vergangenen Zeiten zu berichten haben oder von Angehörigen, die wollen, dass Geschehenes nicht in Vergessenheit gerät, sondern uns heute noch eine Lehre sein kann und dass das Andenken an die individuellen Schicksale bewahrt wird.

Dazu wird zu jeder Geschichte eine Titel aus Literatur oder Film empfohlen.


Dieser Gastbeitrag wurde von Magali Landwehr verfasst.


Opas Geschichte

Ich habe meinen Opa nie über seine Erfahrungen mit dem Krieg reden hören, die er als kleiner Junge gemacht hat und ich kann mir kaum vorstellen, wie traumatisch sie gewesen sein müssen. Doch meine Mutter hat mir seine Geschichte erzählt. Als kleines Kind lebte mein Opa zusammen mit seinen Eltern in einem sehr schönen Haus in Bielefeld, sogar einer Villa, erzählte sie mir, doch 1940 wurde sein Vater als Soldat eingezogen und er kam in russische Kriegsgefangenschaft. Nein, ich kann mir nicht vorstellen, wie es wohl gewesen sein muss, sich jeden Tag aufs Neue Sorgen um einen geliebten Menschen machen zu müssen. Im Krieg sollte dann Bielefelds Güterbahnhof bombardiert werden, doch eine Bombe verirrte sich und traf genau das Haus meines Opas und seiner Familie. Sie hatten großes Glück, dass niemand Zuhause war, doch sie verloren alles, was sie hatten. Mein Opa und seine Mutter standen vor dem Nichts, doch meine Uroma handelte sofort und baute eigenhändig ein neues, kleines Haus, nur mit der Hilfe von ein paar ihrer Klavierschüler, in dem sie mit meinem Opa fortan lebte. Als der Krieg endete, kam mein Uropa in Russland in Kriegsgefangenschaft und 1949  fand er als einer der wenigen Überlebeden tatsächlich seinen Weg nach Hause zurück, doch er wurde nie wieder der Alte. Meine Mutter erzählte, er habe nie mit jemandem über seine Erfahrungen in Gefangenschaft geredet, nicht einmal mit seiner engsten Familie, doch was für schreckliche Dinge er auch erlebt hat, sie haben ihn zu einem traurigen, gebrochenen Menschen gemacht. Wie er, nahmen viele Menschen ihre Geschichten als Geheimnis mit ins Grab, wahrscheinlich weil die Erinnerung zu schmerzhaft war, um sie zu teilen. Doch ich denke diese Geschichten müssen weitererzählt werden, damit die Menschen an das Grauen des Krieges erinnert werden und es sich nie wieder wiederholen muss

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Quelle Titelbild: Deutsches Bundesarchiv, via Wikimedia, CC-BY-SA 3.0

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