Nazi-Vergleiche in Corona-Zeiten

Gastautor*in

15. Mai 2022


Dieser Beitrag wurde von Emma Neu verfasst. Emma ist eine ehemalige Schülerin unserer Schule und studiert inzwischen Geschichte.


„Der größte Schaden entsteht durch die schweigende Mehrheit, die nur überleben will, sich fügt und alles mitmacht.“

Mit diesem Zitat von Sophie Scholl demonstriert eine Frau gegen die Corona-Maßnahmen. Sie ist nur eine von unzähligen Demonstrant*innen, die solche Zitate für ihren Protest nutzen.

Doch wer war Sophie Scholl eigentlich?

Wie viele andere Kinder auch schloss sich auch Sophie einer der Jugendorganisationen des Nationalsozialismus an, dem Bund deutscher Mädel. Doch schon bald kehrte sie dem NS-Regime den Rücken. Während ihres Studiums in München schloss sie sich 1942 der „Weißen Rose“ an, einer Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus. Ihr Bruder Hans – ebenfalls ein Mitglied – wollte sie schützen und versuchte zunächst, sie aus der Gruppe der Widerständler herauszuhalten. Jedoch ließ sich Sophie nicht von ihrem Vorhaben und ihren Wertvorstellungen abbringen. Im Februar 1943 wurden die Geschwister beim Verteilen ihrer Flugblätter gegen das NS-Regime erwischt, verhaftet und später zum Tode verurteilt.

Auch heute ist es wichtig, sich an Widerstandskämpfer wie Hans und Sophie zu erinnern, gerade Sophies Geburtstag, der sich am 9. Mai zum 101. Mal gejährt hat, ist ein guter Anlass dafür. Vor allem für die jüngere Generation scheint der Nationalsozialismus sehr weit in der Vergangenheit zu liegen und etwas zu sein, das kaum mehr Relevanz hat. Dabei ist das Ende des Zweiten Weltkrieges gerade einmal 77 Jahre her und es existieren noch immer Zeitzeugen.

Oft kommt es zur Relativierung, ja sogar zur Verharmlosung der Ereignisse. Vor allem in Zeiten der Corona-Pandemie werden die getroffenen Maßnahmen immer wieder mit Gesetzen des Nazi-Regimes verglichen. Menschen tragen gelbe Sterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ und stilisieren sich als Opfer einer diktatorischen Politik. Zitate von Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus werden bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen missbraucht. Der zum Schutz der Bevölkerung getroffene Lockdown wird mit einem Konzentrationslager gleichgesetzt. Die Frage, ob man sich impfen lassen soll oder nicht wird mit der industriellen Ermordung von Millionen Menschen verglichen.

Auf diese Weise kommt es nicht nur zur Verharmlosung des Nationalsozialismus im Allgemeinen sondern auch das Leid aller Opfer – Hans und Sophie Scholl miteingeschlossen – wird mit Füßen getreten. Es ist zwar nichts Neues, dass bei aktuellen Ereignissen auf den Nationalsozialismus Bezug genommen wird, bei der Corona-Pandemie scheint dies allerdings mehr als offensichtlich zu sein. Es ist schade, dass der Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf diese Art und Weise bagatellisiert wird. Daran wird die Wichtigkeit deutlich, die Vergangenheit in den Köpfen der Bevölkerung wachzuhalten und sich daran zu erinnern, was Menschen in der Vergangenheit geleistet haben, welchen Mut sie gezeigt und welche Opfer sie gebracht haben.

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