In Gedenken an unsere Namensträger: Hans und Sophie Scholl

Gastautor*in

18. Februar 2024


Dieser Beitrag wurde von Marie Kartes verfasst. Marie ist eine ehemalige Schülerin des Geschwister-Scholl-Gymnasiums.


Am 22.02.2024 jährt sich der Todestag von Hans und Sophie Scholl zum einundachtzigsten Mal. In diesem Zusammenhang gibt nachfolgender Rückblick eine kleine Einsicht in die letzten Tage der Geschwister Scholl, die für ihr Leben von schicksalhafter Bedeutung waren. In Anbetracht dessen bleiben ihre Beweggründe und die daraus resultierenden Handlungen nicht unerwähnt.

Aufgewachsen in der Nähe von Ulm, verbrachten Hans (geb. 22.09.1918) und Sophie (geb. 09.05.1921) dort gemeinsam mit vier weiteren Geschwistern ihre Kindheit und Jugend. Verglichen mit den Bedingungen und Normen des damaligen NS-Regimes, war die Erziehung ihrer Eltern Robert und Magdalena eher unkonventionell geprägt. Sie beide waren Vertreter einer antinationalsozialistische Einstellung und entgegneten den Auswirkungen von Hitlers Diktatur mit Skepsis. Dennoch brachte dies Hans und Sophie zunächst nicht davon ab, der Hitlerjugend beizutreten. Beide durchschauten jedoch bald den trügerischen Schein der jungen Volksgemeinschaft und wanden sich dieser ab. Nach bestandenem Abitur legte Sophie das Staatsexamen als Kindergärtnerin ab. Im März 1942 arbeitete sie in einem Kinderhort, welches in einem Kriegsdienstlager stationiert war. Diesem Beruf ging sie jedoch nur kurzzeitig nach, da sie bereits zum Sommersemester 1942 nach München umzog, um dort Philosophie und Biologie zu studieren. Ihr Bruder Hans, der ebenfalls an der Ludwig-Maximilians-Universität München Medizin studierte, machte sie fortlaufend mit seinem Freundeskreis bekannt. Dadurch kam es zum ersten Kontakt mit der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Einer zunächst studentischen Organisation, die auf die politischen Missstände in Deutschland aufmerksam machen wollte. Zu den bekanntesten Mitgliedern der Bewegung gehörten unter anderem Hans Kommilitonen Christoph Probst, Alexander Schmorell, Willi Graf, aber auch der Dozent Kurt Huber. Diese erkannten die verbrecherischen Eigenschaften des herrschenden Naziregimes und entschieden sich bewusst gegen das Hinwegsehen und für aktiven Widerstand im eigenen Land. Die Motive der Weißen Rose waren so elementar, dass sie den Mut bewiesen, ihre Kritik an dem herrschenden System laut auszusprechen. Um die nazigeblendete Bevölkerung wachzurütteln, verbreiteten sie ihr Gedankengut durch Parolen an öffentlichen Gebäuden oder durch das Verteilen von Flugblättern. Aus der Angst, ihr Leben für den Kampf um Gerechtigkeit und Freiheit geben zu müssen, wurde am 22.02.1943 Realität. Vier Tage zuvor, am 18.02.1943, verteilten Hans und Sophie an ihrer Universität erneut Flugblätter, die zum Widerstand gegen das Dritte Reich aufriefen. Jedoch wurden sie während der gemeinsamen Aktion vom Hausmeister und SA-Mitglied Jakob Schmid entdeckt, und so lange festgehalten, bis er die beiden der Gestapo übergeben konnte. Hans Scholl führte zu diesem Zeitpunkt eine neue Flugblattausgabe mit sich, die auf Christoph Probst als bislang unbekanntes Mitglied der Weißen Rose schließen ließ. Einen Tag später erfolgte dadurch auch seine Festnahme. Am 20.02.1943 nahm Hans bei einem erneuten Verhör alle Schuld auf sich, als Versuch seine jüngere Schwester Sophie vor dem bevorstehenden Prozess zu schützen; jedoch erfolglos. Probst bekannte sich zu seiner Mittäterschaft und legte ein umfassendes Geständnis ab, in der Hoffnung Strafmilderung zu erreichen; ebenso erfolglos. Am Tag darauf kam es zu einem erneuten Verhör durch den nationalsozialistischen Juristen Roland Freisler. Dieser war ebenso am 22.02.1943 Vorsitzender des Gerichtsprozesses gegen die Mitglieder der Weißen Rose.  Die von Freisler geführten Schauprozesse im Volksgerichtshof waren gekennzeichnet durch Abschreckung und Erniedrigung der Angeklagten. So war auch der Prozess gegen die drei Studenten eine regelrechte Gerichtsinszenierung mit Hitler treuen BürgerInnen in den Zuschauerplätzen. Die rechtsgeprägte Einstellung der Juristen, machte einen objektiven und gerechten Prozess nahezu unmöglich. Freisler sah Genugtuung darin, die politischen Gegner, die er in Probst und den Geschwistern Scholl sah, mit aller Härte zu bestrafen. So verkündete er die Todesstrafe durch das Fallbeil für Probst und die Geschwister Scholl. Christoph Probst wurde die Verabschiedung von seiner Frau und den drei gemeinsamen Kinder untersagt. Hans und Sophie bekamen jedoch noch die Möglichkeit, sich von ihren Eltern zu verabschieden. Die einundzwanzigjährige Sophie war die erste der Verurteilte, deren Leben im Gefängnis München-Stadelheim durch die Guillotine grausam beendet wurde. Im Anschluss vollzog man das Urteil auch an Christoph Probst und Hans Scholl. Heute, einundachtzig Jahre später, sind die Geschwister Scholl die Namensträger unseres Gymnasiums in Lebach. Umso wichtiger, ihren Einsatz und Mut für Gerechtigkeit und Freiheit zu schätzen. Besonders ihre geschichtliche Relevanz muss an nachfolgende Generationen weitergetragen werden.

Die Präsenz von Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft wurde durch jüngste Ereignisse im vergangenen Januar deutlich. Demnach fand ein nicht öffentlich bekanntes Treffen von AfD-Politikern, Rechtsextremen und Großunternehmern statt, wie durch das Rechercheteam „Correctiv“ enthüllt wurde. Die geheime Versammlung in Potsdam plante hauptsächlich eine strukturierte „Remigration“, wobei die Partei dies als organisierte Ausweisung aus Deutschland von Menschen mit Migrationshintergrund definiert. Die rechtsextreme Partei interpretierte die Veröffentlichung des Treffens jedoch als hinterhältige Kampagne der aktuellen Regierung gegen die AfD. Die maßlose Verharmlosung und Untertreibung zeigt sich besonders in der Aussage von Bernd Baumann (Parl. Geschäftsführer AfD-Fraktion), der das Treffen als „kleinen privaten Debattierclub“ darstellt. Es bleibt nun die Aufgabe der Judikativen, mögliche Netzwerkstrukturen aufzudecken und die Verfassungskonformität der Partei zu überprüfen. Wenn diese im Widerspruch zur Demokratie steht, wird eine Entscheidung über ein mögliches Parteiverbot unvermeidlich. Die Frage, ob dies das Ende der AfD bedeutet oder sogar zu einer Radikalisierung von Rechtsextremen führt, bleibt offen.  Der Umgang mit dem aktuellen Parteibestand erfordert nicht nur eine klare Stellungnahme von PolitikerInnen, sondern auch eine unmissverständliche Reaktion der gesamten Zivilbevölkerung. Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen im Herbst 2024 ist es dringlich, sogenannte „ProtestwählerInnen“ zum Überdenken ihrer Wahlentscheidung aufzurufen. Ist es gerechtfertigt, ihren Unmut über die aktuelle politische Situation zugunsten der AfD zu überlassen? Dass die Mittel der rechten Partei nicht ohne Weiteres als Alternative für Deutschland geduldet werden, dokumentierte die bundesweite Reaktion auf die Enthüllung des geheimen Treffens. Im gesamten Bundesgebiet wurden Maßnahmen ergriffen, um den Aufruhr der Bevölkerung deutlich zu manifestieren. Die BürgerInnen demonstrierten im vereinten Widerstand gegen demokratiefeindliche AnhängerInnen und sammelten Unterschriften für aufgestellte Petitionen. Es ist grundlegend zu erkennen, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, die sich selbst erhalten kann, sondern besonders in Krisensituationen verteidigt werden muss. Demokratie gilt als schützenswert, weil sie eben nicht als statischer Zustand garantiert werden kann. Sie ist vom Einsetzen der Bevölkerung und dem aktiven Handeln jedes Einzelnen abhängig. Eben in Übereinstimmung mit dem Vorbild von Hans und Sophie Scholl. Widerstand fängt im Kleinen an. Widerstand erfordert es, wachsam zu bleiben. Denn in Anbetracht der Vergangenheit darf für Entwicklungen in der Zukunft niemals vergessen werden:

Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht

Bertolt Brecht

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