Alexej Navalny ist tot. Gibt es in Zukunft eine Möglichkeit für die Arbeit der russischen Oppositionellen?

Annelie Collet-Müller

10. März 2024

Die Meldung, dass der führende russische Oppositionspolitker Alexej Navalny am Donnerstag, den
15.2.2024 in der Strafkolonie IK-3 in Charp verstorben ist, schlug wie eine Bombe ein. Obwohl man
wusste, wie schlecht der Gesundheitszustand von Aleksej Navalny nach dem Giftanschlag und der
anschließenden Einlieferung in das Straflager war, das auf dem Territorium eines ehemaligen Gulag
aus der Zeit der Sowjetunion gebaut wurde, stellt sich die Frage: War es ein „natürlicher“ Tod, was
aufgrund der unmenschlichen Umstände in diesem Straflager am nördlichen Polarkreis allein schon
wie Hohn klingt, oder handelte es sich hier um eine brutale, gezielte Aktion des russischen
Geheimdienstes in Diensten von Wladimir Putin?
Die Antwort wird wohl für immer im Verborgenen bleiben.
Nach Ansicht des anerkannten Osteuropaekenners Alexander Friedmann, der an der Universität des
Saarlandes lehrt, ist die Tat „ein klarer, vernichtender Sieg des Bösen“, in Anlehnung an das Zitat von
Hannah Arendt, die die Herrschaft der Nationalsozialisten im Dritten Reich als „Sieg des banalen
Bösen“ charakterisiert hatte.
Für mich spiegelt der Tod von Alexej Navalny zwei unterschiedliche Aspekte wider: Einerseits ist es
eine sehr klare Botschaft des Kreml an den Westen, dass man, ohne Rücksicht auf Grenzen politischer
oder moralischer Art, alles tun kann, was einem beliebt. Auf der anderen Seite führt der Kreml die
westlichen Staaten vor, ja er spielt geradezu mit der Hilflosigkeit des Westens …
Damit ist auch die Frage, ob der Tod von Aleksej Navalny zu Veränderungen in der russischen Politik
führen kann, mit einem klaren „Nein“ zu beantworten. Natürlich gibt es in Russland viele Menschen,
die in Opposition zur Politik von Putin stehen, aber ein echter Hoffnungsträger, der die schmerzliche
Lücke, die Aleksey Navalny hinterlässt, füllen könnte, ist nicht in Sicht. Zu stark ist die Hand von Putin,
der jegliche Kritik in der russischen Gesellschaft mit brutalsten Methoden unterdrückt. Dabei ist es
ihm völlig egal, was der Westen von ihm und seiner Politik hält und wie die Reaktionen oder
Sanktionen der westlichen Länder aussehen. Darüber hinaus ist die Opposition in Russland keine feste
Einheit und – das sollte auch erwähnt werden – Navalny selbst war in seinen politischen Ansichten nie
unumstritten, weder im Westen noch in Russland.
Die Tatsache, dass Aleksey Navalny sein Leben bewusst geopfert hat um seinem politischen
Standpunkt Ausdruck zu verleihen, scheint uns in der heutigen Zeit befremdlich. Viele Menschen
konnten nicht begreifen, warum er nach dem lebensgefährlichen Giftanschlag mit dem verbotenen
Nervengift Nowitschok und der wochenlangen Behandlung in der Berliner Charite wieder in sein
Heimatland zurückkehrte.
Wir erinnern uns in unserer eigenen Geschichte an die Hinrichtung der Geschwister Scholl und
anderer Mitglieder der Weißen Rose, die bewusst in den Tod gegangen sind, um ihre politische
Überzeugung zu demonstrieren. Nach eigenen Aussagen, die er vielfach in Interviews geäußert hat,
wollte Aleksej Navalny nicht als Märtyrer verehrt werden, sondern als ein aktiver Politiker in
Erinnerung bleiben, der in Russland mit all seinen Kräften gegen ein Regime gekämpft hat, das sich
bis auf den heutigen Tag allen Demokratiebestrebungen widersetzt.
So bleibt für uns die Aufgabe, die Erinnerung an einen mutigen und selbstlosen Politiker wach zu
halten, lässt uns der Tod von Aleksey Navalny doch mit der Hoffnung zurück, dass auch in einer
Diktatur wie Russland die Menschen aufgerüttelt werden können und langsam begreifen werden,
dass das Leben in einem solch menschenfeindlichen System nicht lebenswert ist.

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